Liebe Freunde, Bekannte, Verwandte, Sozialarbeitende, Führungskräfte, ehemalige Mitarbeitende ...
- colinarthur0
- 1. Jan. 2021
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 13. Sept. 2022
Im Frühling 2019 schloss ich meinen Master in Coaching, Supervision und Organisationsentwicklung am IAP an der ZHAW ab. Nun möchte ich euch berichten, wie mein Werdegang als Selbständigerwerbender in meiner Lebenswelt verläuft:
Meine Rolle als Familienarbeiter, ca. zu 40% in einer Institution angestellt:
Ein Familienvater, mit dem ich mit Video Home Training gearbeitet habe, hat mir nach einer Rückschau der Bilder berichtet, dass die Schweiz auch an strukturellem Rassismus leidet. Ich konnte ihm darauf nichts entgegnen. Ich schwieg, denn er war ein „Man of Color“, wenn ich dies so zum Ausdruck bringen darf. Mit dieser Aussage setzte er mir ein Korn in meine Wissbegierde. Und ich wurde fündig und las das Buch Warum ich nicht länger mit Weissen über Hautfarbe spreche ¹. Dieses Buch berichtet ausführlich über den strukturellen Rassismus in Grossbritannien. Was mir inhaltlich vom Buch hängen blieb, ist, wie können Kinder/Jugendliche auf diesen strukturellen Rassismus vorbereitet werden. Die Haltung, einfach hinzunehmen und es als natürlich Gegeben anzusehen genügt nicht. Viel eher müssen wir die Unterschiede aus Sicht der weissen Mehrheit mit heranwachsenden bearbeiten und ihnen aufzeigen, dass es Menschen gibt, die in ihrer Haltung sehr wohl einen Unterschied machen. Nun ja, ich möchte dazu noch keine Haltung aufzeigen, denn ich bin geprägt von «the white Privilege» (Eddo-Loge, S. 96ff). „Solidarität als rein performativer Akt befriedigt nur den, der sie zum Ausdruck bringt. Eine ans Revers gesteckte Sicherheitsnadel nach dem Brexit-Referendum, das zu einem Referendum über Migration umgemünzt wurde, ist symbolisch, verhindert jedoch keine einzige Abschiebung. Wir müssen uns selbst gegenüber wirklich ehrlich sein und unsere eigene Voreingenommenheit eingestehen, bevor wir daran denken, für ein Publikum den Antirassisten zu spielen“ (Eddo-Loge, S. 218).
Zudem wurde mir in der Arbeit mit dem farbigen Jugendlichen bewusst, dass er, wie auch andere, die ich in diesem Jahr begleitet habe, unter einer Bindungs-Schwierigkeit zu anderen Menschen leidet. Dazu habe ich dieses Jahr einiges zu den Bindungsthemen gelernt. Ich weiss heute was eine normale, unsicher vermeidende, unsicher ambivalente und eine desorganisierte Bindung bedeutet. Diese Muster zu kennen, hat auch dazu geführt, dass ich mir bewusst wurde, was diese Thematik für mein eigenes Bindungs- und Beziehungsverhalten zu Menschen heisst. Über dieses Wissen zu verfügen, hat mich in meiner Entwicklung weiter gebracht. Hilfreich war auch das Powerbook von Andreas Krüger 2, der aufzeigt was eine posttraumatische Erfahrung (PTBS) in jungen Jahren mit einem Kind macht.
Nun zurzeit begleite ich für die Institution, in der ich früher als Teamleiter gearbeitet habe, noch vier Familiensysteme. Diese Arbeit gibt mir viel Auseinandersetzung (Reflexion) mit mir selbst, mit den Eltern und den Kindern, und auch mit einer Teamleiterin, die mich in meiner Entwicklung unterstütz. Der Übergang vom Teamleiter in die Rolle des Familienarbeiters hat mir aufgezeigt, wie unterschiedlich die zwei Rollen sind und ich habe in der neuen Position den Blickwinkel wieder verändert.
Meine Rolle als Supervisor: Erstaunt hat mich, dass ich in diesem Jahr bereits 34 Supervisionen gegeben habe, Tendenz steigend. Natürlich freut mich dies ausserordentlich. Was mich in den Supervisionen umtreibt, ist der Umstand, dass zurzeit die «supervisiorischen» Aspekte die ich beobachte, oft in Richtung einer Team- und Organisationsentwicklung gehen. Die drei Aspekte führen bei mir während den Supervisionen oft zu einer kurzzeitigen Suche, da ich den Anspruch habe zu erkennen, wo wir im Prozess (Prozessberatung nach Schein) stehen. Und immer wieder den Mut aufzubringen, dass die Gruppe oder das Team die Verantwortung dafür übernehmen muss, diesen Prozess zu gestalten. Ich bin nur ein Mittel (Instrument) dazu, sie in ihrem Prozess weiter zu bringen. Die Institutionen, eine Stiftung für randständige Menschen mit zwei Teams, ein Gemeinschaftszentrum auf dem Lande, eine Institution für Hirnverletzte Kinder und die Begleitung der beruflichen Erfahrungen von Studierenden an der ZHAW. Es gab drei Coachings, unter anderem mit einer Führungsperson und ich durfte eine Teamentwicklung bei einer Fluggesellschaft durchführen. All den Teams und Institutionen bin ich zu dank verpflichtet, da ich durch sie die Möglichkeit bekomme, meine Erfahrungen in diesem «Lernfeld» machen zu dürfen. Was mich zurzeit beschäftigt, ist der Umstand, mit den Studierenden der ZHAW über Zoom zu arbeiten. Die ersten zwei bis drei Supervisionen fanden dann jeweils Analog statt, die folgenden sechs bis sieben auf digitalem Weg. Hier musste ich mit meinem hohen Anspruch, eine gute emotionale Erfahrbarkeit und einen Perspektivenwechsel der Studierenden mit ihren Fällen oder Fragen zu ermöglichen, doch etwas abstand nehmen. Mir viel während der Corona-Zeit auf, dass die Studierenden zeitweise vor ihren Bildschirmen in eine Trance vielen und über dieses Medium konsumierten. Dies hat meiner Ansicht damit zu tun, dass sie stundenlang vor dem Bildschirm sitzen und den Vorlesungen folgen, ohne wirklich (haptisch) daran teil zu nehmen. Trotzdem muss ich den Studierenden immer wieder meinen Dank aussprechen, wie sie sich aufraffen und mitmachen. Sich ihren Themen stellen und Fragestellungen einbringen. Die Fragestellung ist eines meiner Lieblingsthemen. Was möchten die Supervisand*innen wissen/lösen, wenn sie den Raum (virtuell oder räumlich) verlassen. Die Vorgehensweise kann bei mir oft über eine Stunde der Supervision beanspruchen und ist Teil der Lösung/Bewusstwerdung.
Meine Rolle als Aussendozent an der ZHAW, Dep. S: Eine überaus tolle Erfahrung machte ich über Zoom bei den Studierenden, als ich sie durch den Kurs «Kommunikation und Interaktion» begleiten durfte. Die Studierenden besuchen diesen Kurs gleich zu beginn ihres Studiums und sind noch nicht in dieser Zoom-Trance
(-fatigué), wie die Studierenden, die die Supervision besuchen/bestreiten. Es ist erstaundlich wie gut die Studierenden in den Breakouträumen ihre Gesprächsführung üben und auch wirklich eine Gelassenheit und Kompetenz in den Gesprächen erreichen. Ich persönlich kann in diesem Kurs meine eigenen Glaubenssätze überprüfen, da ich nie ein Gymnasium besucht habe. Mein, wie oben im Mail erwähnt, eher vermeidendes Bindungsverhalten kann ich dadurch bearbeiten. Klar ist der Ausdruck vermeidend nur eine Einschätzung meines Charakters, er hilft mir jedoch, meine Themen aktiv zu reflektieren. Danken möchte ich Meret, die einen Teil dieses Kurses übernommen hat. Mit ihr zusammen habe ich ein «Learning on the Job» gemacht und konnte durch ihre Klarheit gegenüber den Studierenden profitieren.
Meine Rolle in der Freizeit beim Eishockeyspielen:
In meinen Trainings, die ich teilweise leitete, bis zum zweiten Lockdown, durfte ich mit den Senioren, Veteranen und einigen Ü50 Spielern arbeiten. Es waren ausschliesslich Techniktrainings, da der Kontaktsport verboten war. Und wir haben in der Eishalle mit fünfzehn Spielern mit Masken trainiert. Vor die Spieler zu stehen und auf der Tafel meine Lieblingsübungen aufzuzeichnen und anzuleiten hat mir ausserordentlich Spass gemacht. Und es hat mich darin bestärkt, vor die Leute zu stehen und mich zu zeigen.
Biken:
Für meine Gesundheit, gehe ich jeden Montagmorgen mit meinem Schwager bei jedem Wetter und Jahreszeit biken. Manchmal sind wir bis fünf Teilnehmer, die sich durch den Schnee Richtung Loorenkopfturm durchradeln. Von dort aus können wir die Welt von oben erfahren. Möchte mich bei Rolli bedanken, wenn ich oft über Themen spreche, die ihn oder mich ganz persönlich betreffen. Gespräche beim Tun, sind oft intuitiver und ungezwungener als Gespräche im professionellen Settings.
Synthese meiner verschiedenen Standbeine:
Im Buch des Beobachters Ich mache mich Selbständig 3 habe ich folgende Angaben gelesen unter dem Profil der Firmengründer. Da wird beim Charakter (S. 22) folgender Inhalt wiedergegeben. „Charakter: Über 40 Prozent der Gründer und Gründerinnen stufen sich selber als Macher ein (zielorientiert, selbstsicher, gradlinig, schnell, energievoll, korrigierend). 23 Prozent sehen sich als Analysten (überlegt, logisch, zurückhaltend, diszipliniert, ernst, kritisch, abwägend), 23 Prozent als Integratoren (zuverlässig, warmherzig, harmoniebedürftig, kooperativ, solidarisch). Die übrigen bezeichnen sich als Enthusiasten (benötigen Applaus, sind mitreissend, offen, optimistisch, menschenorientiert, begeisterungsfähig).“ Sicher kannst du dir vorstellen, wo ich mich in diesem Raster sehe, auch wenn ich mich nicht ganz klar positionieren kann. Ich würde mich als Integrator sehen, mit etwas mehr Menschenorientierung.
Bestes Buch, das mir dieses Jahr nahe ging: Neben diversen Büchern, ist mir folgendes Buch nahe gegangen. Darin beschreibt Melanie Garanin 4 den Verlust ihres Sohnes. Ein Buch, das alle Techniken vom «Digitalen und Visualisieren» anwendet. Und es hat, wie dieses Jahr im Speziellen, mit dem Tod und seinen diversen Stadien zu tun. Ein Thema, an das ich mich im Laufe des Jahres herangetastet habe. Denn, die Welle der Medien, die Menschen, die nicht genügend gesehen werden, die das Bedürfnis nach Kontrolle/Selbstbestimmung 5 suchen, haben mich durch das Jahr begleitet. Meine Haltung beschreibe ich damit, dass ich mich in der Mitte von zwei Polen bewege, einerseits respektvoll gegenüber dem Virus bin und andererseits sehr Kritisch, was das Impfen angeht. Wir werden Mühe haben, resp. ich habe Mühe mich impfen zu lassen. Mache ich doch einiges für meine Selbstfürsorge. Meditieren, Sport treiben und mich mit den Adressat*innen in der Familienarbeit und Kund*innen in der Supervision auseinanderzusetzen. Ob mein Selbstschutz es zulässt, mich nicht zu impfen? 6

Bild aus dem Buch NILS
Meine Ausgangslage im Januar 2021:
Das Interesse für die Entwicklung meiner eigenen Firma bleibt weiterhin bestehen. Es gilt weiterzufahren in den Bereichen Familienarbeit, der Supervision, den zwei bis drei Coachings die ich hatte und ev. einer Möglichkeit für eine Organisationsberatung. Ich habe mit meiner Erfahrung mit den Bindungsthemen, dem Integrator und den Erfahrungen mit den Teams und den Studierenden, doch einiges für meine Entwicklung mitnehmen dürfen.
Dank! Besten Dank, dass ich dich/Sie für ein Blitzlicht in meine Lebenswelt mitnehmen durfte, wünsche ein gesundes 2021 und grüsse freundlich Colin Arthur 1 Eddo-Loge, R. (2020), Warum ich nicht länger mit Weissen über Hautfarbe Spreche. (2. Aufl.) Tropen, Gotta’s Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart. 2 Krüger, A. (2019), Powerbook, Erste Hilfe für die Seele, Band 1, Trauma-Selbsthilfe für Junge Menschen. (9. Aufl.) Elbe & Krueger Verlag GbR, Hamburg. 3 Winisdörfer, N. (2020), Ich mache mich SELBSTÄNDIG, Von der Geschäftsidee zur erfolgreichen Firmengründung. (16. Aufl.) Beobachter-Edition, Handelszeitung, Ringier Axel Springer AG, Zürich. 4 Garanin, M. (2020), NILS, Von Tod und Wut. Und von Mut. Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 5 Grawe, K. Klaus-Grawe-Intitut für psychologische Therapie, Link: https://www.klaus-grawe-institut.ch/blog/1205/ 6 www.gegen-die-gleichgueltigkeit.ch




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